01.10.18

Wofür interessiert Du dich eigentlich NICHT?

Eine berechtigte Frage die mir dieser Tage gestellt wurde und die ich nicht gleich beantworten konnte. Nun schwirrt sie mir seit da durch den Kopf. Ich habe ja bereits einmal darüber geschrieben, weshalb ich so gerne bin, wer ich bin. Hier zu lesen. Und meine Neugierde, mein Interesse an allem Neuen ist ebenfalls so eine Seite an mir, die mich ausmacht. Ich erfreue mich an dem, was nicht offensichtlich ist, ich mag Menschen und ihre Geschichten, ich mag Farben, Muster und Proportionen. Ich werde erfasst von Glück, wenn ich abblätternde Hausmauern, Fenster voller Blumen und Häuser mit Gesichtern sehe. Ich liebe handwerkliche Fähigkeiten und echte Materialien.

Aber die Frage lautet ja:

Wofür interessiert Du dich eigentlich nicht?

Für Sport, für Autos, für Tiere, für Politik, für Analysen, Gebrauchsanleitungen und wissenschaftliche Studien, für Jahreszahlen, für Geld und für Status.

Wieso? Zugang zu Sport hatte ich nie. Im Turnen habe ich mich gedrückt wo es nur ging. Im Turnverein war ich bloss, weil meine Freundinnen dabei waren. Am Mädchenriegetag war ich 325. von 340. Mir fehlt da der Ehrgeiz. Stünde ich im Starthäuschen hoch oben auf dem Berg bereit zur Abfahrt, ich würde wohl zur Seite stehen und erst alle anderen fahren lassen. Ich habe keinen Siegerwillen und keinen wirklichen Bewegungsdrang. Wandern find ich auch total doof. Immer muss man auf den Weg achten, sieht das Ziel nicht, muss sich auf Wegweiser und Zeitangaben einlassen. Nein, das ist nichts für mich, wo ich doch so gerne als Hans guck in die Luft durchs Leben gehe. Durch Städte kann ich jedoch stundenlang wandern…

Für Autos. Keine Ahnung. Ein Auto ist ein Fahrzeug, bringt mich gegebenenfalls von A nach B. Ich habe keinen Führerschein, bin ohne Auto aufgewachsen, komme gut ohne Gefährt durchs Leben. Ich kann die Begeisterung nachvollziehen, aber in meinen Adern fliesst definitiv kein Benzin.

Für Tiere. Man erzählt sich die Geschichte, dass ich als Kleinkind von Nachbars Bernhardiner über den Haufen gerannt wurde. Und an den Moment als ich von einem Pony in hohem Bogen abgeworfen wurde, erinnere ich mich als wäre es gestern gewesen. Aber ich glaube nicht, dass das etwas mit fehlender Empathie für Tiere zu tun hat. Ich habe vielleicht einen Gen-Defekt. Das ist natürlich ein Witz. Aber ich gestehe ehrlich, ich kann nichts anfangen mit Katzenvideos. Mir sagt es nichts, Tiere im Zoo zu besuchen und ich käme nie auf die Idee eine Safari in Afrika zu machen. Vielleicht würde ich bei einer Walbeobachtung mitfahren, aber da sagt mir der Verstand, dass ich den Tieren damit nichts Gutes tun würde…

Man sagt mir nach, ich hätte ein grosses technisches Verständnis. War ich mir so nie bewusst. Gebrauchsanweisungen lege ich meist zur Seite. Ich montiere Lampen, flicke Kabel, installiere Telefons, Computer und sonstige Geräte ohne eine Anleitung. Kann ich einfach, für alles andere behelfe ich mich mit meinem gesunden Menschenverstand. Ich brauche keine Leitlinien um sicher zu sein, dass das was ich mache richtig ist. Ich vertraue auf mich und bin daher keine Freundin von Statistiken. Sie werden erstellt um ein vordefiniertes Ziel zu erreichen. Alles nur Details, solange die Gesamtheit nicht mit in Betracht gezogen wird, interessiert es mich nicht.

Für Politik. In jungen Jahren trat ich auf, als wäre ich Mutter Helvetia. Da hatte ich noch das Gefühl und auch das Bedürfnis dafür zu kämpfen, dass sich was ändert in unserer Welt, inzwischen glaube ich nicht mehr an die Politiker, auch nicht an die aus meiner lieben Schweiz. Ich bekomm den Koller wenn es nur noch um den eigenen Status und Standpunkt geht und nicht um die Sache.

Für Jahreszahlen und Historische Zusammenhänge. Das geht mir nicht in den Kopf. Ich weiss nicht in welchem Jahrhundert welche Baustiele entstanden und welche Kleider getragen wurden. Ich kann mir nicht merken, welche Dynastien die Welt regierten, ist nicht fassbar, entschwindet mir.

Geld. Erst vor kurzem las ich ein Zitat von Karl Lagerfeld: «Man muss das Geld aus dem Fenster werfen, damit es unten wieder zur Türe reinkommt.» Schön ausgedrückt, ich bin der Meinung, dass das Geld unter die Leute muss, nur so kann etwas entstehen. Wenn ich horte, verlier ich es evtl. Gut, ich bin noch damit gross geworden, dass man im Kässeli sein Geld gesammelt und einmal im Jahr am Bankschalter einbezahlt hat. Ich lernte, dass wenn man das Geld zu Bank bringt, hat man Ende des Jahres mehr — schön waren diese Zeiten, aber sie gehören definitiv zur Vergangenheit.

Für Status. Mir doch egal wie viel die Uhr am Handgelenk gekostet hat. Schön muss sie sein. Ja, ich mag Luxusprodukte, aber nur dann, wenn sie meinen Desin-Ansprüchen entsprechen. Ich würde mir nie einen Design-Klassiker als Statussymbol in die Wohnung stellen, nur damit irgendwer der zu Besuch kommt, beeindruckt ist. Ich wohne da, wo es mir wohl ist und nicht da wo es Hip ist. Als ich von zu Hause ausgezogen bin, und auf der anderen Limmatseite etwas höher gelegen mein Zuhause fand, gab es Menschen in meinem Umfeld die mir applaudierten: «Jetzt hast du den sozialen Aufstieg angetreten.» Ja, ich bin im Zürcher Industriequartier aufgewachsen und das war in den 70ern nicht besonders hip. Als ich in der katholischen Sekundarschule mit Mitschülern aus Zollikon, Zumikon, Ebmatinen und der Goldküste die Schulbank drückte, gab es den einen Mitschüler der mich in der ersten Schulstunde nach der Vorstellungsrunde mit aufgerissenen Augen fragte: «Und Du wagst es zu uns zur Schule zu kommen?» Ich musste, meine Eltern hatten das so entschieden. Getroffen hat es mich in dem Moment schon, heute dient die Geschichte noch als Erklärung warum ich bin, was ich bin. Grossherzig, empathisch und zu gut für diese Welt hat man mich schon genannt…

Ich verlass mich auf meinen Kopf, habe Vertrauen in meinen Verstand, meinen gesunden Menschenverstand, und auf meine Hände, aber nicht auf meinen Körper. Niemals würde ich ein Rennen oder Wettbewerb gewinnen, aber mit Ideen, Lösungen, Überraschungen und Humor bereichere ich die Welt gerne.

Und wofür interessierst Du dich nicht ?

Kulinarische Entdeckungen und ein neues Kochbuch

In meinen Notizen stolpere ich immer wieder über das Zitat: «Willst Du die Seele eines Landes wirklich verstehen, so koste die landestypische Nahrung der armen Leute.» Das habe ich mir in Litauen aufgeschrieben und davon bin ich felsenfest überzeugt. Auf all meinen Reisen lande ich immer irgendwann in der Küche. Eben erst bin ich zurückgekehrt aus Rumänien. Und auch da habe ich, obwohl auf dieser Pauschal-Bus-Reise das Essen leider etwas zu kurz kam, ein kulinarisches Highlight gefunden.

Kochen und Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme, auch wenn ich einige Menschen in meinem nächsten Umfeld habe, die das ganz anders sehen. Heute Morgen fand ich Bestätigung in meiner These. Vor einigen Tagen erhielt ich das frisch erschienene Kochbuch TOGETHER | Our Community Cookbook welches die Duchess of Sussex (Meghan Markle) angeschoben hat. Anderthalb Stunden sass ich jetzt auf dem Balkon in der Sonne und habe darin gestöbert.


TOGETHER | Our Community Cookbook from Letizia Lorenzetti (LeLo) on Vimeo.

Das Buch ist eine Sammlung von Rezepten, aber auch ein Blick auf die Frauen und ihre Lieblings-Rezepte.


Nachdem der Greenfield Tower in London ausbrannte, taten sich Frauen in einer Gemeinschaftsküche zusammen und begannen miteinander und füreinander zu kochen. Eine farbenfrohe Tafel voller Kindheitserinnerungen, Lieblingsrezepte, Wohlfühlessen und ein wunderbarer Ort für Freundschaft und Aufgehobensein. Kein Wunder dass die Herzogin von Sussex im Vorwort schreibt, sie habe sich sofort mit diesen Frauen verbunden gefühlt. In wenigen Sätzen wird jedes Rezept erläutert und es berührt mein Herz, wenn ich eintauche in deren Welt.

«I wasn't taught to cook, it was just what we did at home in Baghdad with my Mum and mother-in-law. You knew you'd got it right when guests asked for the recipes.»
übersetzt: Mir wurde das Kochen nie beigebracht, es ist einfach das, was wir zuhause in Baghdad mit meiner Mutter und Schwiegermutter taten. Du wusstest, dass Du es richtig gemacht hast, wenn die Gäste nach dem Rezept fragten. Intlak Alsaiegh

Essen verbindet. Gemeinsam am Tisch zu sitzen, Zeit miteinander zu verbringen, zu reden und zu teilen öffnet Herzen.
Der Erlös dieses Buches geht vollumfänglich an die Community Kitchen. Bestellt habe ich es vià Amazon:
Together: Our Community Cookbook |

Mein kulinarisches Rumänien Highligh: Kürtőskalács der Baumstriezel. Ehrlich gesagt entdeckt habe ich Kürtőskalács bereits bei der Recherche vor meiner Reise. Begegnet bin ich dem Baumstriezel des Abends, am kleinen lokalen Markt in Tulcea.

Kürtőskalács in Tulcea Romania from Letizia Lorenzetti (LeLo) on Vimeo.

Bis ich dann endlich probieren konnte, dauerte es noch fast eine Woche in Bran führte uns der Reiseleiter zu einem unscheinbaren Fenster, eine klitzekleine Ecke wo man herrlich frische Kürtőskalács auch die ungarischen Langosch durch's Fenster für wenig Geld verkaufte.
Mein kulinarisches, rumänisches Highlight, wobei der Kürtőskalács, zu deutsch Baumstriezel scheinbar ungarischen Ursprung ist:
Hefeteig wird um die Walze gelegt, mit Zucker bestreut und über offenem Feuer, drehend gebacken. Anschliessend kann er in kleingehackten Baumnüssen, Zimt, Mandeln etc. gewendet werden. Frisch, knackig, noch leicht warm ist das eine wunderbare Geschichte. Ich mochte, dass dieser Kürtőskalács absolut nicht klebrig und übersüsst war. Definitv ein Highlight.